Viktualia hat geschrieben: ↑20.06.2018, 16:46
das Systematische in der "normalen Wissenschaft" muss ja immer bis ins totale Extrem gehen. Also "wahr" ist es nur, wenn es sich ewig nicht verändert.
"Wahr" ist außer in der Mathematik in den meisten Wissenschaften ein schwieriger Begriff.
Es geht ja darum, Modelle zu entwickeln und diese schrittweise immer mehr zu optimieren, bis sie das Beobachtete mögl. gut beschreiben.
Da bleibt immer eine gewisse Unsicherheit, ob das Modell nicht zukünftig weiter optimiert werden muss.
Bei komplexen Systemen, also solchen, die selbstregulierenden sind und meist auch eine unüberschaubare Zahl von Variablen haben, ist es per Definition nicht möglich, ein Modell zu enwickeln, welches ihr Verhalten allumfassend beschreibt.
Natürlich hilft es, mögl. viele Zusammenhänge und Wechselwirkungen zu verstehen, aber ein vollständiges Verständnis und eine Kontrolle über alle Variabeln werden wir nie erlangen.
Deshalb bleibt nur ein adaptives Management, das seine Wirkung ständig selbst hinterfragt und entsprechend nachreguliert.
Deshalb sind bisher auch alle Versuche gescheiert, die Erfolge des Holistic Planned Grazing mit irgendwelchen simplen Rotationsweidesystemen zu reproduzieren.
Die einzige Möglichkeit so etwas zu modelieren ist, sich einen erfahrenen Praktiker zu suchen, mit diesem zusammen einen Kontext festzulegen, auf den zugearbeitet werden soll, und ihn dann machen zu lassen und mögl. genau zu beobahten, wie er auf welche Herausforderung reagiert und das und die jeweilige Wirkung mögl. genau zu dokumentieren.
Und am Ende des Experiments misst man den Erfolg dann daran, inwieweit es sich dem vereinbarten Kontext genähert hat.
Nach und nach kann man so evtl. ein Modell entwickeln, das eine Reihe von Variablen halbwegs gut abdeckt. Dass ist es ja, was man als HPG Praktiker je nach angestrebtem Kontext auch macht. Man lernt für Tocken- oder Nässezeiten Reserven vorzuhalten, man lernt das Risiko von Buschbränden einzuplanen, das von Marktpreisschwankungen, den Schutz verschiedener Wildtierarten (z.B. den von Bodenbrüterhabitaten zur Brutzeit) und Pflanzenarten, man lernt gezielt oder mit absichtlicher Zufälligkeit Störungen zu erzeugen um die für viele Arten nötige Dynamik im Biotop zu schaffen, man lernt die Umtriebszeiten an die Wachstumsgeschwindigkeiten der Pflanzen anzupassen usw. usw.
Aber wenn man dann unerwartet Ärger mit der Schwiegermutter hat und das die schöne Planung durcheinander würfelt, muss man halt wieder reagieren und adaptieren.
Zeig mir mal ein wissenschaftliches Beweidungsmodell, das Ärger mit der Schwiegermutter mit einplant. Und das ist noch eine relativ wahrscheinliche Variable.
Und dann gibt es tatsächlich Leute, die wollen das mit einem starren Rotationsweidesystem simulieren, bei dem eine Herde stur jedes Mal nach x Tagen auf die jeweils nächste Koppel getrieben wird, und die dann behaupten, HPG funktioniere nicht. Dabei hat ihr Modell mit HPG nicht das Geringste zu tun, da es die strenge Ausrichtung an einem Kontext und die ständige Rückkopplung und Neuplanung und Adaption, von der HPG lebt, komplett ignoriert.
Man könnte höchstens sagen, ihr (sehr verkürzter) Kontext war, die Herde alle 5 Tage umzutreiben, und das haben sie am Ende des Versuches auch erfolgreich umgesetzt. Dann müssten sie ihren Erfolg aber auch daran messen, und nicht an der Veränderung der Bodenbedeckung oder des Humusgehaltes oder... Denn diese Ziele waren in ihrem Kontext nicht berücksichtigt, sonst hätten sie die Bewegungen und Dichte der Herde ständig an die dafür nötigen Faktoren (gezielte Störung, um die Keimung zu fördern, keine Überweidung, um die Pflanzen nicht zu schwächen, keine Rückkehr vor vollständiger Erholung der Pflanzen einer Parzelle, um die Pflanzen nicht zu schwächen, Erzeugung von Trampelmulch, um die Verdunstung zu reduzieren und das Bodenleben zu schützen, etc.) anpassen müssen.