Abgrenzung von Regenerativer Landwirtschaft
Verfasst: 03.08.2019, 11:54
Hallo zusammen,
ich hoffe, das Thema ist hier richtig. Was mir schon länger durch den Kopf geht, das ist die Frage nach der Abgrenzung der Regenerativen Landwirtschaft zu anderen Praktiken.
Durch Videos, Bücher/Literatur und Artikel im Internet habe ich schon eine ungefähre Ahnung, was ich mir darunter vorstellen kann. Ich versuche hier daher mal genauer zu definieren, was man darunter versteht und dann wie sich anderen Begriffen unterscheidet.
Definition:
Die Regenerative Landwirtschaft kann man grundsätzlich unterteilen in Tierhaltung (Mob Grazing) und Ackerbau (Regenerativer Ackerbau), sowie gemischte Systeme (Hutewald, Sylvopasture usw.). Beim Ackerbau gäbe es wiederum zu unterscheiden zwischen Agroforstsysteme, Fruchtfolge- und Mischkulturtechniken und technische Ansätze (Komposteinbringung, Komposttees, Mulchtechniken/Direktsaat, Bodenlockerung usw.).
Wichtig bei der Regenerativen Landwirtschaft ist (nach meinem bisherigen Wissen), dass grosse Flächen effizient berabeitet werden können. Im Vergleich zu anderen Konzepten ist in der Regenerativen Landwirtschaft auch wichtig, dass schonend mit den menschlichen Arbeitskräften umgegangen wird und man wenn möglich auch ziemlich grosse Flächen bewirtschaften kann.
Abgrenzung zu integrierter Anbau, konventioneller und biologischer Landwirtschaft:
Die Überschneidung mit konventioneller Landwirtschaft ist sehr gering. Integrierter Anbau und Biolandwirtschaft enthalten zwar Ansätze zu einer regenerativen Bewirtschaftung, sind in der Praxis meist auch Humus abbauend und fördern das Bodenleben zu wenig. Die Biolandwirtschaft mit ihren strengen Regeln kann für die Regenerative Landwirtschaft sehr einschränkend sein, gerade wenn bei Beginn Humus aufgebaut werden soll, und sich gewisse Probleme z.B. mit sehr grossen Kompostgaben oder mit dem gezielten, einmaligen Einsatz von Pestiziden schnell in den Griff bekommen liesse.
Abgrenzung zur Permakultur:
Unter dem Begriff Permakultur-Landwirtschaft ist seit einigen Jahren eine Bewegung im Entstehen, die nach meiner Einschätzung eine relativ grosse Überschneidung mit regenerativer Landwirtschaft hat. Da die Permakultur allgemein sehr weit gefasst wird und bisher überwiegend eher auf Stufe von Hausgärten, Gemeinschaftsgärten und Selbstversorgung genutzt wird, sich aber auch in soziale Bereiche und andere Bereiche des Lebens ausweitet (Architektur und Bauen, Finanzen, Zusammenleben usw.), ist da dann die Überschneidung eher geringer. Fairerweise muss man aber auch sagen, dass die Permakultur Landwirtschaft sich in den letzten Jahren stark entwickelt hat und in Zukunft vermutlich noch an Bedeutung gewinnen dürfte. Mit der Permakultur Landwirtschaft sehe ich denn auch die grösste Übereinstimmung.
Abgrenzung zum biointensiven Anbau/Marktgärtnerei:
Unter biointensivem Anbau fasse ich nicht nur die Techniken von John Jeavons und Allan Chadwick zusammen, sondern rechne dazu auch, was im weiteren Sinne von den französischen Marktgärtnern des 19. Jahrhunderts und von Eliot Coleman, der sich von ihnen inspirieren liess. Und dann natürlich auch Leute wie Jean-Martin Fortier, Curtis Stone oder Richard Perkins. Es geht mir dabei nur um den biointensiven Anbau, z.B. bei Perkins kommen ja auch noch Nutztierhaltung dazu und eher extensiv bewirtschaftetes Land, das klammere ich hier mal aus. Der Einfluss auf den Boden ist durch den intensiven Anbau nicht sehr gross, was einerseits gut ist, wenn das restliche Land nachhaltig bewirtschaftet wird. Wenn viele Leute diese Art von Anbau betreiben würde, gäbe es also weniger Bedarf an Produkten, die auf eine für den Boden nicht nachhaltige Weise angebaut werden. Würde der Boden versiegelt oder sonst nicht nachhaltig genutzt, z.B. überweidet oder durch intensive Landwirtschaft ausgelaugt, wäre letztlich auch nicht so viel gewonnen. Der Unterschied sehe ich in einem personenintensiveren Ansatz und dass zwar mit der Fläche sparsamer umgegangen wird, auf der Kehrseite aber auch weniger Fläche nachhaltig bewirtschaftet wird.
Abgrenzung zur Agroökologie:
Für mich ist die Agroökologie ehrlich gesagt bisher etwas schwer zu fassen. Lange war es ein Konzept der Wissenschaft und Forschung, das wenig Bedeutung in der Praxis hatte. In den 1990er Jahre schwappte es als Bewegung aus Südamerika über in den Rest der Welt. Nach meinem Verständnis geht es dabei um nachhaltige, kleinbäuerliche Anbauweise, meist von Hand, seltener mit Arbeitstieren. Inwiefern auch eine maschinelle (nachhaltige) Bewirtschaftung, wie sie in der regenerativen Landwirtschaft betrieben wird, denkbar ist unter diesem Begriff, entzieht sich meinen Kenntnissen.
Ich sehe jetzt keine so grosse Überschneidung, obwohl das Ziel ähnlich ist, so ist die regenerative Landwirtschaft aus meiner Sicht eher ein westlicher Ansatz, der mit wenig Bauern das Problem in Griff zu bekommen, während die Agroökologie ein kleinbäuerlicher Ansatz ist, der den Effekt mit der Masse erzielt und mit einer eher bescheidenen Lebensweise einhergeht.
Abgrenzung zur natürlichen Landwirtschaft:
Die Natürliche Landwirtschaft ist insbesondere in Indien und in Japan verbreitet und geht unter anderem auf Masanobu Fukuoka (Natural Farming) und Mokichi Okada (Nature Farming) zurück. Beiden gemeinsam ist eine tiefe spirituelle Überzeugung, die Ablehnung von Kunstdüngern, Pestiziden und ein tiefer Respekt für die Natur. Im Unterschied zu den meisten anderen landwirtschaftlichen Anbauweisen steht eine spirituelle Philosophie als Einstellung und Arbeitsgrundlage im Vordergrund und nicht eine wissenschaftliche, materielle Sichtweise. Eine Übertragung ihrer Techniken in unsere westliche Welt ist weder einfach, noch mit unseren Lebensvorstellungen zu vereinbaren. In Folge wurde das Konzept oft missverstanden, insbesondere der im deutschen und englischsprachigen Raum herumgeisternde Begriff einer "Nichtstun-Landwirtschaft" (do nothing agriculture) führte viele in die Irre, die der Idee des "mu", einem Begriff für das Fehlen eines geistigen Konzepts, was oft mit "Nichts" übersetzt wird (man kennt es am ehesten im Westen noch vom Meditieren, wo es eben um diesen Zustand geht des Nichts, des nicht denkens). Dieser liesse sich besser übersetzen als eine unvoreingenommene Haltung gegenüber der Natur, dass man wie ein Kind beobachtet ohne zu werten und erst schaut, was passiert und nicht voreilige Schlüsse zieht. Zudem bedarf ein so tiefes Verständnis auch viel Zeit, um die Systeme abzustimmen und optimieren. Was da als Nichtstun präsentiert wird, ist ein langer Prozess harter Arbeit und Lernens.
Die Überschneidung mit der Regenerativen Landwirtschaft sehe ich als eher gering, zumal sie eher weniger in unser westliches Denksystem passt und die natürliche Landwirtschaft am ehesten von den hier beschriebenen Konzepten noch zur Agroökologie passt (obwohl in Permakulturbüchern gerne sie auch zur Permakultur gerechnet wird). Aus Sicht des Bodens betrachtet, ist sie aber auch regenerativ.
Gibt es Ergänzungen, Anmerkungen, Korrekturen zu meinem Einordnungsversuch? Habe ich wichtige Themen der Regenerativen Landwirtschaft vergessen? Gäbe es noch Konzepte der Landwirtschaft, mit der man sie vergleichen könnte?
Was mich zudem interessieren würde, wie sieht es aus in der Regenerativen Landwirtschaft mit Themen wie:
- Teichsysteme, ggf. mit Fischzucht oder Grauwasseraufbereitung
- Aquasysteme im Sinne von essbaren Wasserpflanzen (Reis, Lotoswurzeln,...)
- Wassergärten, sprich Gärten, die am Wasser gebaut sind und daher produktiver sein sollen (Chinampas, Hortillonages)
- Freiland-Aquakulturen/Aquaponik (Fischzucht, Fisch-Pflanzensysteme)
Sind diese Themen in der Regenerativen Landwirtschaft ein Thema bzw. sind sie aus eurer Sicht vereinbar mit ihr?
ich hoffe, das Thema ist hier richtig. Was mir schon länger durch den Kopf geht, das ist die Frage nach der Abgrenzung der Regenerativen Landwirtschaft zu anderen Praktiken.
Durch Videos, Bücher/Literatur und Artikel im Internet habe ich schon eine ungefähre Ahnung, was ich mir darunter vorstellen kann. Ich versuche hier daher mal genauer zu definieren, was man darunter versteht und dann wie sich anderen Begriffen unterscheidet.
Definition:
Die Regenerative Landwirtschaft kann man grundsätzlich unterteilen in Tierhaltung (Mob Grazing) und Ackerbau (Regenerativer Ackerbau), sowie gemischte Systeme (Hutewald, Sylvopasture usw.). Beim Ackerbau gäbe es wiederum zu unterscheiden zwischen Agroforstsysteme, Fruchtfolge- und Mischkulturtechniken und technische Ansätze (Komposteinbringung, Komposttees, Mulchtechniken/Direktsaat, Bodenlockerung usw.).
Wichtig bei der Regenerativen Landwirtschaft ist (nach meinem bisherigen Wissen), dass grosse Flächen effizient berabeitet werden können. Im Vergleich zu anderen Konzepten ist in der Regenerativen Landwirtschaft auch wichtig, dass schonend mit den menschlichen Arbeitskräften umgegangen wird und man wenn möglich auch ziemlich grosse Flächen bewirtschaften kann.
Abgrenzung zu integrierter Anbau, konventioneller und biologischer Landwirtschaft:
Die Überschneidung mit konventioneller Landwirtschaft ist sehr gering. Integrierter Anbau und Biolandwirtschaft enthalten zwar Ansätze zu einer regenerativen Bewirtschaftung, sind in der Praxis meist auch Humus abbauend und fördern das Bodenleben zu wenig. Die Biolandwirtschaft mit ihren strengen Regeln kann für die Regenerative Landwirtschaft sehr einschränkend sein, gerade wenn bei Beginn Humus aufgebaut werden soll, und sich gewisse Probleme z.B. mit sehr grossen Kompostgaben oder mit dem gezielten, einmaligen Einsatz von Pestiziden schnell in den Griff bekommen liesse.
Abgrenzung zur Permakultur:
Unter dem Begriff Permakultur-Landwirtschaft ist seit einigen Jahren eine Bewegung im Entstehen, die nach meiner Einschätzung eine relativ grosse Überschneidung mit regenerativer Landwirtschaft hat. Da die Permakultur allgemein sehr weit gefasst wird und bisher überwiegend eher auf Stufe von Hausgärten, Gemeinschaftsgärten und Selbstversorgung genutzt wird, sich aber auch in soziale Bereiche und andere Bereiche des Lebens ausweitet (Architektur und Bauen, Finanzen, Zusammenleben usw.), ist da dann die Überschneidung eher geringer. Fairerweise muss man aber auch sagen, dass die Permakultur Landwirtschaft sich in den letzten Jahren stark entwickelt hat und in Zukunft vermutlich noch an Bedeutung gewinnen dürfte. Mit der Permakultur Landwirtschaft sehe ich denn auch die grösste Übereinstimmung.
Abgrenzung zum biointensiven Anbau/Marktgärtnerei:
Unter biointensivem Anbau fasse ich nicht nur die Techniken von John Jeavons und Allan Chadwick zusammen, sondern rechne dazu auch, was im weiteren Sinne von den französischen Marktgärtnern des 19. Jahrhunderts und von Eliot Coleman, der sich von ihnen inspirieren liess. Und dann natürlich auch Leute wie Jean-Martin Fortier, Curtis Stone oder Richard Perkins. Es geht mir dabei nur um den biointensiven Anbau, z.B. bei Perkins kommen ja auch noch Nutztierhaltung dazu und eher extensiv bewirtschaftetes Land, das klammere ich hier mal aus. Der Einfluss auf den Boden ist durch den intensiven Anbau nicht sehr gross, was einerseits gut ist, wenn das restliche Land nachhaltig bewirtschaftet wird. Wenn viele Leute diese Art von Anbau betreiben würde, gäbe es also weniger Bedarf an Produkten, die auf eine für den Boden nicht nachhaltige Weise angebaut werden. Würde der Boden versiegelt oder sonst nicht nachhaltig genutzt, z.B. überweidet oder durch intensive Landwirtschaft ausgelaugt, wäre letztlich auch nicht so viel gewonnen. Der Unterschied sehe ich in einem personenintensiveren Ansatz und dass zwar mit der Fläche sparsamer umgegangen wird, auf der Kehrseite aber auch weniger Fläche nachhaltig bewirtschaftet wird.
Abgrenzung zur Agroökologie:
Für mich ist die Agroökologie ehrlich gesagt bisher etwas schwer zu fassen. Lange war es ein Konzept der Wissenschaft und Forschung, das wenig Bedeutung in der Praxis hatte. In den 1990er Jahre schwappte es als Bewegung aus Südamerika über in den Rest der Welt. Nach meinem Verständnis geht es dabei um nachhaltige, kleinbäuerliche Anbauweise, meist von Hand, seltener mit Arbeitstieren. Inwiefern auch eine maschinelle (nachhaltige) Bewirtschaftung, wie sie in der regenerativen Landwirtschaft betrieben wird, denkbar ist unter diesem Begriff, entzieht sich meinen Kenntnissen.
Ich sehe jetzt keine so grosse Überschneidung, obwohl das Ziel ähnlich ist, so ist die regenerative Landwirtschaft aus meiner Sicht eher ein westlicher Ansatz, der mit wenig Bauern das Problem in Griff zu bekommen, während die Agroökologie ein kleinbäuerlicher Ansatz ist, der den Effekt mit der Masse erzielt und mit einer eher bescheidenen Lebensweise einhergeht.
Abgrenzung zur natürlichen Landwirtschaft:
Die Natürliche Landwirtschaft ist insbesondere in Indien und in Japan verbreitet und geht unter anderem auf Masanobu Fukuoka (Natural Farming) und Mokichi Okada (Nature Farming) zurück. Beiden gemeinsam ist eine tiefe spirituelle Überzeugung, die Ablehnung von Kunstdüngern, Pestiziden und ein tiefer Respekt für die Natur. Im Unterschied zu den meisten anderen landwirtschaftlichen Anbauweisen steht eine spirituelle Philosophie als Einstellung und Arbeitsgrundlage im Vordergrund und nicht eine wissenschaftliche, materielle Sichtweise. Eine Übertragung ihrer Techniken in unsere westliche Welt ist weder einfach, noch mit unseren Lebensvorstellungen zu vereinbaren. In Folge wurde das Konzept oft missverstanden, insbesondere der im deutschen und englischsprachigen Raum herumgeisternde Begriff einer "Nichtstun-Landwirtschaft" (do nothing agriculture) führte viele in die Irre, die der Idee des "mu", einem Begriff für das Fehlen eines geistigen Konzepts, was oft mit "Nichts" übersetzt wird (man kennt es am ehesten im Westen noch vom Meditieren, wo es eben um diesen Zustand geht des Nichts, des nicht denkens). Dieser liesse sich besser übersetzen als eine unvoreingenommene Haltung gegenüber der Natur, dass man wie ein Kind beobachtet ohne zu werten und erst schaut, was passiert und nicht voreilige Schlüsse zieht. Zudem bedarf ein so tiefes Verständnis auch viel Zeit, um die Systeme abzustimmen und optimieren. Was da als Nichtstun präsentiert wird, ist ein langer Prozess harter Arbeit und Lernens.
Die Überschneidung mit der Regenerativen Landwirtschaft sehe ich als eher gering, zumal sie eher weniger in unser westliches Denksystem passt und die natürliche Landwirtschaft am ehesten von den hier beschriebenen Konzepten noch zur Agroökologie passt (obwohl in Permakulturbüchern gerne sie auch zur Permakultur gerechnet wird). Aus Sicht des Bodens betrachtet, ist sie aber auch regenerativ.
Gibt es Ergänzungen, Anmerkungen, Korrekturen zu meinem Einordnungsversuch? Habe ich wichtige Themen der Regenerativen Landwirtschaft vergessen? Gäbe es noch Konzepte der Landwirtschaft, mit der man sie vergleichen könnte?
Was mich zudem interessieren würde, wie sieht es aus in der Regenerativen Landwirtschaft mit Themen wie:
- Teichsysteme, ggf. mit Fischzucht oder Grauwasseraufbereitung
- Aquasysteme im Sinne von essbaren Wasserpflanzen (Reis, Lotoswurzeln,...)
- Wassergärten, sprich Gärten, die am Wasser gebaut sind und daher produktiver sein sollen (Chinampas, Hortillonages)
- Freiland-Aquakulturen/Aquaponik (Fischzucht, Fisch-Pflanzensysteme)
Sind diese Themen in der Regenerativen Landwirtschaft ein Thema bzw. sind sie aus eurer Sicht vereinbar mit ihr?