Jakobsreuzkraut - Erfahrungen?

Manfred
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Re: Jakobsreuzkraut - Erfahrungen?

Beitrag von Manfred »

Du warst es, der die von ihm selbst veröffentliche Meinung des NABU in die Debatte eingeführt hat...

Dass eine intensiv geführte, dichte Grasnarbe das in der Jugend konkurrenzschwache JKK weitgehend unterdrücken kann, ist ja hinlänglich bekannt.
Die spannende Frage ist jetzt, wie du (pflanzen)artenreiches, extensiv genutztes Grünland erhalten willst, wenn du gleichzeitig eine dichte, intensive Narbe benötigst, die auch alle anderen konkurrenzschwachen Arten unterdrückt und die regelmäßig kurz gehalten werden muss, um dicht zu bleiben.

Wir haben in D kein Problem, intensiv geführtes, artenarmes Grünland zu erhalten.
Wir haben das Problem, dass wir artenreiches Dauergrünland verlieren, weil es wirtschaftlich nicht konkurrenzfähig ist.
Und die eh schon schlechte Konkurrenzfähigkeit wird durch das Eindringen von JKK in diese Flächen noch weiter verschlechtert, weil der Aufwuchs nicht mehr als Heu vermarktet oder im eigenen Betrieb als Futter genutzt werden kann, sondern z.B. in Biogasanlagen entsorgt werden muss.

Die bisherigen Versuche, artenreiches Grünland durch Förderprogramme zu erhalten, sind alle gegen die Wand gefahren. Die Bewirtschafter dieser Flächen müssen Kosten optimieren. Also pflegen und düngen sie die Flächen nicht, sondern mähen sie oft nur einmal im Jahr und sind dann auch noch gezwungen, den Aufwuchs abzufahren. (Wer als Bewirtschafter aus Idealismus mehr tut, kriegt das nicht bezahlt und verliert dadurch Geld). Die resultierende Ausmagerung führt zu immer lückigeren Grasnarben und fördert dadurch noch mehr die Verbreitung des JKK.
Außerdem führt diese monotone Bewirtschaftung zum Wegsterben vieler Arten auf diesen Flächen, die auf die Dynamik der vorher durchgeführten Bewirtschaftung mit jährlich unterschiedlichen Schnittzeitpunkten und Schnitthäufigkeiten und die zumindest teilweise Ausgleichsdüngung durch Wirtschaftsdünger und die Einbindung der Tiere der Betriebe in die Nährstoffkreisläufe angewiesen waren.
Wir schützen das artenreiche Grünland kaputt.

In Bayern gibt es seit einiger Zeit erste, zarte Ansätze, nicht mehr Bewirtschaftungsweisen und Schnittzeitpunkte, sondern die Erhaltung von Pflanzenartenvielfalt selbst zu fördern, indem Kennarten festgelegt und den Landwirten die Art und der Zeitpunkt der Bewirtschaftung freigestellt werden. Leider viel zu gering gefördert und mit zu viel Bürokratie verbunden, so dass es gegenüber den anderen Programmen nicht wirtschaftlich ist.
Aber zumindest mal ein kleiner Ansatz in die richtige Richtung.


Fred
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Re: Jakobsreuzkraut - Erfahrungen?

Beitrag von Fred »

Auf der Seite, der grünen Brücke von Dietmar Näser steht eigentlich das Interessanteste zum JKK:
Kreuzkraut hat nackte Wurzeln, ohne Feinwurzeln, ohne Erdanhang. Damit fördert es die bakterielle Neubesiedelung des Bodens, den Beginn der mikrobiellen Besiedelung. Es ist nicht mykorrhiziert, weil Pilze unter diesen Bodenbedingungen noch gar nicht wachsen können. Es bereitet also durch Auflockerung mit den Bakterien die pilzliche Besiedlung des Bodens vor. Es wächst also dort, wo die Vielfalt der Mikrobiologie noch nicht hergestellt ist, bzw. verloren gegangen ist. Das sind die Ansatzpunkte: Boden lockern, Wiesenlüfter, 100 l/ha Fermente spritzen, behandelte Gülle fahren, kalken, Schwefel düngen, je nachdem, was auf diesem Standort sinnvoll ist.
[...]
Also muß die Verdichtung des Bodens und die Eiweißoxidation - die Fäulnis - repariert werden.
[...]
Kreuzkräuter gehören zur Pflanzenfamilie der Asterartigen. Die haben eine wichtige Funktion bei der mikrobiellen Besiedelung des Bodens: sie bilden ätherische Öle, die vielfältig fördernde Funktionen in der Mikro- und Makrobiologie haben, sowie Inuline - Polysaccharide+Fruktane, die wiederum das bakterielle Bodenleben ernähren.
Mit etwas zusätzlichen Infos auf der Seite der Grünen Brücke zu lesen:
https://www.gruenebruecke.de/fragen-und ... iesen.html


Manfred
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Re: Jakobsreuzkraut - Erfahrungen?

Beitrag von Manfred »

Eben. Die Umkehr der von den "Naturschutz"-Programmen betriebenen, völlig widernatürlichen Ausmagerung halt.
Funktionierende Biotope versuchen immer, Nährstoffe und Wasser zu akkumulieren und sich in der Sukzession vorwärts zu bewegen. D.h. beim Boden das Gleichgewicht von den Bakterien zu den Pilzen zu verschieben, bei gleichzeitiger Zunahme der Biomasse. "Naturschutz" versucht sich beim Grünland am Gegenteil. Finde den Widerspruch.


Fred
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Re: Jakobsreuzkraut - Erfahrungen?

Beitrag von Fred »

Manfred hat geschrieben: 18.08.2018, 09:29 Eben. Die Umkehr der von den "Naturschutz"-Programmen betriebenen, völlig widernatürlichen Ausmagerung halt.
Schon, die Frage nur, welche Rolle dies Pflanze in diesem Prozess spielt, wenn es sich gerade so ausbreitet. Wobei sich ja schon ein Bild abzeichet, wenn auch noch eher grob.
Wobei die In der Natur ständig stattfindende Weiterentwicklung zu produktiveren Ökosystemen sich viel Zeit läßt und allgegenwärtige Störereignisse sorgen dafür, daß irgendwo für jede Sukzessionsstufe im Mosaik ein Plätzchen bleibt. Mit einer Produktion unter ständig zunehmenden Renditedruck passt das auch nicht zusammen.
Was Naturschutz betrifft - wenn man sich in den Themenbereich Regernative Landwirtschaft einarbeitet und irgend wann merkt, daß der Naturschutz hierzulande versucht, die durch Übernutzung völlig degradierten Landschaften unserer Vorfahren -weswegen viele ausgewandert sind- zu erhalten, dann gehört das zu den etwas skurrilen AHA-Erlebnissen. Wobei ich beim derzeitigen Zustand der Gesellschaft auch nicht fordern will, auf den Naturschutz zu verzichten, man braucht schon noch die Inseln, damit die Arten, die ein funktionierendes Ökosystem braucht überleben können.


Manfred
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Re: Jakobsreuzkraut - Erfahrungen?

Beitrag von Manfred »

"Die Natur" versucht sich durch Gift- und Dornenpflanzen vor Übernutzung zu schützen. Hatten wir das nicht oben schon? Wenn ich überweide, dann bleiben halt Gift und Dornen übrig, solange es dafür feucht genug ist.
Ausmagern ist ein neuer Gegner für "die Natur". Das gab es bisher nie (zumindest nicht in dieser extremen Form und auf Grünland, Wälder wurden ja regional zeitweise ausgemagert). Also wehrt sie sich halt mit dem, was am nächsten dran kommt. Und das sind die Reaktionen auf Überweidung.


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